Als der Ehemann einer Klientin schwer erkrankte, konnte sie nicht aushalten, dass er nur auf dem Sofa lag und nichts tat. Zuvor war er ein enorm aktiver Mann gewesen und beide zusammen hatten eine Menge Projekte gestemmt. Dass er nun nur noch da lag, machte ihr Angst. Sie war unsicher, konnte nicht greifen, was passiert und meinte, wenn sie nicht alles am Laufen hält, würde „alles zusammenbrechen“.
Statt ihm jedoch von ihren tiefsten Ängsten und Sorgen zu erzählen, begann sie, seine Schwäche zu relativieren und zu negieren. Sie wollte ihn dazu bringen, wieder auf die Beine zu kommen und zu funktionieren, damit sie ihre eigenen Ängste nicht spüren muss. Immer, wenn er versuchte, ihr mitzuteilen, wie es wirklich in ihm aussieht und das die ganzen Projekte momentan für ihn gar nicht dran sind, fing sie an, seine Krankheit klein zu reden, und über sein Bedürfnis nach Ruhe hinweg zu gehen: „Naja, soo schlimm ist es ja auch nicht! Ich versteh‘ Dich schon, aber die Dinge müssen ja getan werden! Hier ist der Plan, wie wir jetzt weitermachen!“
Ihr Mann, der durch seine Erkrankung natürlich auch mit tiefen Ängsten und Sorgen belastet war, fühlte sich mit diesen nicht gehört und wahrgenommen und fand dieses Gehör in der Folge bei einer anderen Frau.
Relativieren und negieren der Gefühlszustände oder des Gesagten unseres Gegenübers oder versuchen, sofort Lösungen zu finden, sind die Reaktionen, mit denen Du es auf jeden Fall schaffst, dass sich Dein/e Partner*in Dir nicht mehr mitteilt und öffnet. Wir benutzen diese Reaktionen, um ein unangenehmes Gefühl, das durch das Gesagte in uns selbst hochkommt, wegzudrücken. Beobachte in der nächsten Situation einmal ganz genau: welche unangenehmen Gefühle musst Du aushalten, wenn Dein/ e Partner*in Dir Dinge über sich, Eure Beziehung oder Dich mitteilt während Du ihm/ ihr einfach nur zuhörst und nicht darauf reagierst? Kannst Du diese Gefühle benennen und ihm/ ihr gegenüber aussprechen? (und übrigens: „Wut“ gilt nicht! Unter Wut verbirgt sich meist so etwas wie Hilflosigkeit oder Ohnmacht!) Und kannst Du trotz des unangenehmen Gefühls weitere Fragen stellen, um Deine/n Partner*in noch besser zu verstehen?
Ein weiterer, sicherer Weg, wie Du es schaffst, dass Dein/ e Partner*in sich Dir nicht mehr mitteilt, ist beim Zuhören die Reaktion: “Ja! Ich weiß genau, wie Du Dich fühlst! Das kenne ich aus dieser und jener Situation….“ Nein! Du weißt niemals, wie sich Dein Gegenüber fühlt. Du kannst es höchstens ahnen und weitere Fragen stellen, um ein noch tieferes Verständnis für seinen Zustand zu bekommen.
Dann kannst Du fragen, ob es irgendetwas gibt, womit Du ihm/ ihr helfen kannst.
Das alles kannst Du üben mit Deinem Partner, Freunden, Arbeitskollegen, Deinen Kindern, Deinen Nachbarn. Mit allen Menschen, die sich Dir mitteilen wollen. Die meisten wollen keinen Ratschlag oder eine Lösung von Dir. Sie wollen einfach nur angehört werden und das Gefühl haben, dass sie mit dem, was sie auf dem Herzen haben anerkannt sind. Das schafft Vertrauen und Bindung.
Probiere es aus und schaue, was passiert! Mache Dich selbst zu einer Person, der sich andere gerne mitteilen. Nicht, weil Du Lösungen parat hast, sondern einfach, weil sie sich angenommen fühlen, mit dem, was sie beschäftigt.