Kennst du das? Du sitzt mit deinem Partner am Tisch, ein beiläufiger Satz fällt, und plötzlich fühlst du dich getroffen, unsicher oder verletzt – obwohl vielleicht gar keine Absicht dahintersteckte. Ein immer wiederkehrendes Problem in Beziehungen ist, dass wir Worte unseres Partners oft negativ interpretieren, ohne nachzufragen, was wirklich gemeint war. Wir erstellen unbewusst Annahmen – und genau diese Annahmen können die Beziehung belasten.

Diese negativen Vermutungen führen dazu, dass wir kleine Verunsicherungen oder Verletzungen in uns speichern. Wir ziehen uns innerlich ein Stück weit zurück, ohne es bewusst zu merken. Mit der Zeit können solche unausgesprochenen Gefühle die emotionale Nähe und das Vertrauen beeinträchtigen. Je mehr solcher Momente sich ansammeln, desto größer wird die Distanz.

Hier ein paar typische Beispiele:

Beispiel 1: Zeit für sich selbst

Äußerung des Partners: „Ich brauche mehr Zeit für mich.“

Negative Annahme: „Warum will er alleine sein? Hat er keine Lust mehr auf mich? Bin ich nicht mehr interessant genug? Liebt er mich nicht mehr?“

Beispiel 2: Kommentar zum Verhalten

Äußerung des Partners: „In letzter Zeit machst du ganz schön oft Mittagsschlaf.“

Negative Annahme: „Sie findet mich faul oder nicht produktiv genug. Vielleicht mag sie mich deswegen weniger.“

Beispiel 3: Kleidung

Äußerung des Partners: „Bist du sicher, dass du das anziehen möchtest?“

Negative Annahme: „Er findet mich unattraktiv, zu dick, zu dünn – er liebt mich nicht so, wie ich bin.“

Warum wir nicht nachfragen

Oft trauen wir uns nicht, nachzufragen, was unser Partner wirklich gemeint hat. Wir fürchten, dass unsere negative Annahme bestätigt wird und wir uns noch verletzter fühlen. Doch gerade diese Angst führt dazu, dass Missverständnisse bestehen bleiben und sich zu Spannungen aufbauen.

Dabei kann ein klärendes Gespräch vieles ins rechte Licht rücken. Sich verletzlich zu zeigen und nachzufragen, kostet Überwindung, doch es ist ein entscheidender Schritt, um die emotionale Verbindung zu stärken.

Wie wir negative Annahmen hinterfragen können

Hier sind einige hilfreiche Fragen, die du stellen kannst, um Klarheit zu schaffen:

– „Hab ich das jetzt richtig verstanden?“

– „Für mich fühlt sich das so an, als ob ich … Ist das so?“

– „Meinst du das so, dass …?“

– „Bei mir kommt jetzt das Gefühl auf, dass ich / dass du …“

– „Jetzt habe ich gerade Angst, dass du / dass ich …“

Diese Fragen zeigen deinem Partner, dass du dir unsicher bist und nach Klarheit und vor allem Sicherheit suchst – nicht, dass du Vorwürfe machst. In den meisten Fällen wirst du feststellen, dass deine Vermutung unbegründet war.

Einladung zur Reflexion

Welche Annahmen hast du in den letzten Tagen oder Wochen getroffen, ohne sie zu überprüfen? Gab es Momente, in denen du Worte oder Handlungen deines Partners negativ interpretiert hast?

Ich lade dich ein, all diese Gedanken, Annahmen und Vermutungen direkt oder zumindest zeitnah zur Sprache zu bringen. Gespräche über solche Missverständnisse helfen nicht nur, Spannungen abzubauen, sondern auch, die emotionale Intimität zu vertiefen. Du wirst feststellen: Viele Konflikte haben ihre Ursache in genau diesen unausgesprochenen negativen Annahmen.

Trau dich, ehrlich zu sein – mit dir selbst und deinem Partner. Denn nur so kann wahre Nähe und Sicherheit entstehen.